Die Ökonomie von Blogs

05/11/2011

Dieser Text ist ein Auszug aus der Einleitung meiner Magisterarbeit.

B L O G | e S s a y     Die Digitalisierung der Medien hat grundlegende medienökonomische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt. Verkaufserlöse und Werbeeinnahmen, die beiden traditionellen Säulen des journalistischen Geschäftsmodells, sind im Internet einem nachhaltigen Erosionsprozess ausgesetzt und können die Refinanzierung der Kosten für die Produktion der Inhalte in der Regel nicht mehr eigenständig gewährleisten.

Treibende Kräfte dieser Entwicklung sind in besonderem Maße die fehlende Zahlungsbereitschaft für Online-Inhalte, maßgeblich geprägt durch die im Internet vorherrschende Gratis-Mentalität, sowie das miserable Preis-Niveau für Online-Werbung, welches nicht zuletzt aus der scheinbar unbegrenzt vorhandenen Werbefläche im Internet resultiert. „You get lousy pennies on the web“ beklagte vor einiger Zeit der deutsche Verleger Hubert Burda: Medieninhalte haben im Internet ein veritables Finanzierungsproblem.

Bei kommerziellen Weblogs tritt dieser Missstand sogar in zugespitzter Form auf, denn Blogs üben aufgrund ihrer in der Regel kleineren Leserschaften, der wenig seriösen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und fehlender Professionalität bei der Vermarktung weniger Anziehungskraft auf potenzielle Werbekunden aus als andere Onlinemedien. Tatsächlich kann sich in Deutschland die überwiegende Mehrheit der kommerziell orientierten Blogs nicht autonom finanzieren. Während die Kommerzialisierung der US-amerikanischen Blogosphäre bereits weit vorangeschritten ist und einige Blogs wie z.B. die Huffington Post als vollwertige Medienunternehmen wahrgenommen werden, scheint dies hierzulande „bislang nur in bescheidenem Umfang gelungen“.

Dabei haben sich Blogs auch in Deutschland längst als professionelles Medienformat etabliert. Vertreter wie z.B. Meedia , netzpolitik.org , Spreeblick oder Carta treten hinsichtlich der Nutzerzahlen als auch des publizistischen Einflusses schon länger in Konkurrenz zu den etablierten Onlinemedien. Der gegenwärtige Zustand ist aus wirtschaftlicher Perspektive demnach äußerst diffus: Es existiert eine Vielzahl an professionell betriebenen Blogs, die Werte in Form von Inhalten produzieren, und dass obgleich die Chancen auf eine direkte Refinanzierung zum jetzigen Zeitpunkt sehr ungünstig erscheinen.

Für ein Verständnis der skizzierten Situation gilt es jedoch zunächst zu bedenken, dass Blogs historisch als nicht-kommerzielles Medienformat gestartet sind. Während die Anfangsinvestitionen für den Eintritt in den Markt der klassischen Massenmedien relativ hoch sind, tendieren die Kosten für den Betrieb eines Blogs gegen null, einfach weil die notwendige Software in Form von Content-Management-Systemen kostenlos im Internet verfügbar ist. Die Fixkosten beschränken sich damit zu großen Teilen auf die geistige Arbeit des Bloggers. Mithin ist die Existenz eines Blogs nicht an monetäre Zwänge gebunden.

Erst mit Blick auf diese spezifische Entwicklung werden die gegenwärtigen Handlungsmuster in der deutschen Blogosphäre wirtschaftlich nachvollziehbar. Losgelöst von alt-hergebrachten Marktgesetzen, wie dem von Angebot und Nachfrage, bieten kommerzielle Blogger ihr Produkt kostenlos an, also ohne dafür nach den Bewertungsmaßstäben der traditionellen Wirtschaft einen Anreiz zu besitzen, schlichtweg weil sie die Veröffentlichung im Internet selbst nichts kostet – außer ihre Zeit. Eine direkte Monetarisierung der Blog-Inhalte ist folglich als Motiv gar keine zwingende Voraussetzung, wenn ein ökonomischer Nutzen auch auf alternative Weise erzeugt werden kann.

Unabhängig vom Motiv des Bloggens ist davon auszugehen, dass jeder Blogger grundsätzlich eine hohe Aufmerksamkeit präferiert. Denn selbst wenn es ihm z.B. primär um die reine Verbreitung von Ideen geht, ist ein hohes Maß an Aufmerksamkeit allemal zweckmäßig. In diesem Kontext besitzt Aufmerksamkeit als ökonomische Kategorie unter Umständen das Potenzial, eine universellere Gültigkeit als Geld zu entfalten.
Im Internet wird Aufmerksamkeit maßgeblich durch Hyperlinks, kurz Links, gesteuert: Eine Webseite mit vielen Links erfährt grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit als eine mit wenigen Links. Damit haben Links im Internet eine konstituierende Bedeutung für die Wahrnehmung des Rezipienten: Aufmerksamkeit wird durch Links mit einem ökonomischen Wert aufgeladen. Der US-amerikanische Professor Jeff Jarvis erhebt Links deshalb in den Rang einer neuen „Währung des Internets“ und entwickelt auf dieser Grundlage eine „link economy“.

In Anlehnung an Jarvis ist es nun denkbar, Links in der Tat als eine übergeordnete Währung zu betrachten , die sich aus Sicht des Blogbetreiber unter Umständen wieder in Geld konvertieren ließe – über die Weiterleitung von Zuschauern als potenzielles Werbepublikum, über den Verkauf eigener Links oder über Selbstmarketing, welches wiederum den Verkauf eines anderen Produktes oder einer Dienstleitung vorantreibt.

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Katzer, Philipp / Mey, Stefan: Ökonomie von Blogs. Strategien und Nutzungen von Links: Ein Blogökonomie-Modell. Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität Berlin, Juli 2010